Dienstag, 30. November 2010

Huayna Potosi

Am Donnerstag habe ich mich bei verschiedenen Agencies umgehört, um das beste Angebot für die Besteigung des 6088m Hohen Huayna Potosi (sprich Wayna Potosi) ausfindig zu machen. Da die Preise sich alle nicht viel gegeben haben, habe ich mich letztlich für diejenigen entschieden, die am kompetentesten wirkten und sich hauptsächlich auf Bergbesteigungen spezialisiert haben. Bezahlt habe ich 150$ für 3 Tage, mit der kompletten Ausrüstung gestellt.

Am Samstag Morgen sollte es um 8:45 Uhr losgehen, pünktlich wie ich bin war ich natürlich schon um 8:30 Uhr da. Mein Guide Willy ist ein sehr sympatischer Bolivianer, kurzes, schwarzes, gegeeltes Haar. Wohl so Anfang 30, sein Gesicht ist noch nicht gezeichnet vom harten Leben in den großen Höhen des bolivianischen Hochlandes. Zusammen mit einem sehr netten Kolumbianer und seinem Guide, saßen wir im optisch aufwendig gestyltem Taxi. Leider mussten wir noch bis 9 Uhr auf eine Fließhose warten, bevor es endlich losging. Nach 15 Minuten hielten wir zum ersten mal für "cinco minutos" um unsere Schlafsäcke abzuholen. Typisch Bolivianisch ging es dann nach einer halben Stunde weiter. Wir sammelten noch die Rucksäcke der beiden Guides ein und fuhren dann auf einer nicht geteerten, ziemlich schmalen und holperigen Straße Richtung Basecamp. Gegen 11 Uhr erreichten wir das Basecamp in 4700 Meter Höhe.

Nach dem Essen (Reis mit Huhn) wurde zunächst die Ausrüstung verteilt. Jeder Teilnehmer bekam "Polar"-Jacke und Hose (recht dünn aber stabil, wie Motorradklamotten), Fließ-Jacke und Hose, Helm, Steigeisen, Eispickel, Kopflampe, Klettergurt, Schlafsack, Stulpen, steigeisenfeste Schuhe (erinnern ein wenig an Skischuhe), Ski-Sonnenbrille und Handschuhe. Gegen 12 Uhr brachen Willy und ich für die Übungen des ersten Tages zum nahen Gletscher auf. Es gab eine Einführung ins Laufen mit Steigeisen und ich durfte zweimal eine kurze Wand besteigen. Um 15 Uhr waren wir zurück in der Hütte. Letztlich war dieser Teil eher unspektakulär, die Zwei-Tages-Tour (ohne diesen Teil) wäre völlig ausreichend gewesen.

Zurück in der Hütte bekam ich meinen Schlafplatz auf dem Dachboden zugewiesen, bestehend aus einer Matratze und einem Kissen. Es gab Tee und später Abendessen (garnichtmal schlecht, erst Suppe, dann Nudeln) und zusammen mit acht anderen Leuten versuchte ich dann zu schlafen. Aufgrund der Höhe stellte sich dies leider als sehr schwer heraus. Ich war zwar ziemlich müde, habe vor 2 Uhr trotzdem kein bischen schlafen können. Gegen 8 Uhr morgens gab es Frühstück. Der Gang zum Klo (normales Klo, keine Wasserspülung, stattdessen Behälter um Wasser aus dem Flüsschen vor der Tür zu holen), ließ mich schon ziemlich ausser Atem zurück.

Leider mussten wir zunächst auf eine Gruppe von Leuten warten, die die Zwei-Tages-Tour machen wollten, unter ihnen mein Seilpartner, denn pro Guide gibt es normalerweise zwei Leute. Nachdem diese endlich angekommen waren, gab es nochmal Hünchen mit Reis, bevor wir gegen 12 Uhr zum High-Camp aufbrachen. Der Rucksack mit der gesamten Ausrüstung, 4 Liter Wasser und den ganzen Kram den ich überflüssigerweise mit hatte (Rubix Cube, Notizbuch, Wecker, etc...) war unangenehm schwer. Trotzdem brauchten wir für die 430m zum High-Camp nur etwa anderthalb Stunden, eine Pause von 20 Minuten mit eingeschlossen. Das High-Camp ist eine Hütte, mit dem Einstieg zum Gletscher direkt vor der Tür. Dort angekommen waren wir alle ziemlich fertig.

Beim Ausruhen und warten auf das Abendbrot hatten wir zum ersten mal Gelegenheit uns einigermaßen miteinander zu unterhalten. Mein Partner Phillip, 31, ist aus Tschechien und hat sieben Jahre in Freiburg studiert, weshalb er ziemlich gut Deutsch spricht. Er hat gerade zwei Monate Auszeit zwischen zwei Jobs und bereist deshalb Südamerika. Paul und Maribell sind ein Paar, beide anfang Fünfzig. Er ist aus Holland und sie aus Kolumbien. Alles sehr sympatische Leute. Wir hatten Glück, der Dachboden des Highcamps war schon voll als wir ankamen, weshalb wir im Anbau mit Hochbetten untergebracht wurden. Nach dem Abendbrot versuchte jeder so gut es ging zu schlafen, was allerdings keinem von uns wirklich gelang.

Am nächsten "Morgen" (0:00 Uhr) wurden wir geweckt und es gab ein kleines Frühstück. Bedauerlicherweise schneite es zunächst sehr stark, sodass wir erst um zwei Uhr aufbrechen konnten statt wie geplant um eins. Wir waren die letzte Gruppe, die aufbrach, das Wetter wieder gut, der Himmel klar. Paul und Maribell gingen mit dem erst in der Nacht angekommenen Guide Felix, Phillip und ich mit Willy. Nach 5 Minuten kamen wir am Gletscher an bekamen eine letzte Unterweisung über den Umgang mit Steigeisen, dann begann der Aufstieg im Dunkeln nur mit Kopflampen. Willy als erster, Phillip in der Mitte und ich am Schluss. Weiter oben sah man die Lichter der anderen Seilschaften, die früher gestartet sind. Die ersten 30 Minuten habe ich den gemeinsamen Rucksack von Phillip und mir mit Wasser und Kameras getragen, danach ging es mir so schlecht, dass Phillip ihn übernahm. Ich war einen Großteil des Aufstieges kurz davor mich zu übergeben, hätte wohl doch nichts frühstücken sollen.

Nach einiger Zeit setzte ein ziemlich unangenehmer Schneesturm ein, der unseren Aufstieg weiter verlangsamte. Während des Aufstiegs habe ich nahezu nichts von der Umgebung mitbekommen, die Dunkelheit, Höhe und das Wetter trugen ihren Teil dazu bei. Aufgrund der Höhe litt ich unter zunehmenden Kopfschmerzen, mein Bauch rumorte die ganze Zeit und jeder Schritt war anstrengender als der Vorherige. Nach zwei oder drei Stunden schien es mir absolut unmöglich, dass ich es bis nach oben schaffen würde. Wir legten oft kurze Pausen ein um wieder zu atem zu kommen und die Übelkeit niederzukämpfen. Willy lies uns zwar imme gewähren, trieb uns aber auch nach kurzer Zeit an weiterzugehen.

Irgendwann ließ der Schneesturm nach und es schneite nur noch ein wenig. Es dämmerte und man konnte die Lampen langsam ausschalten. Vor dem finalen Anstieg auf die Spitze ließen wir den Rucksack zurück, den ich das letzte Stück doch noch getragen habe. Weder Phillip noch ich sahen uns in der Lage mit Rucksack nach oben zu kommen. Wir durchquerten einen Abschnitt, der später am Tag stark Steinschlag gefährdet ist und erstiegen die letzten 100 Meter auf dem Grat des Berges. Um 7 Uhr morgens erreichten wir schließlich den Gipfel mit klarer Sicht auf die Umgebung und die Täler unter uns. Wir beglückwünschten uns, machten einige Fotos (mit Phillips Kamera, ich konnte mich nicht dazu durchringen das zusätzliche Gewicht mit nach oben zu schleppen), verweilten 10 Minuten und machten uns an den Abstieg.

Diesmal führte ich, Phillip folgte und Willy bildete den Schluss. Für die raren, wenig anspruchsvollen Kletterstellen sicherte er uns. Was ich beim Aufstieg alles nicht gesehen habe konnte ich nun im Tageslicht um so mehr geniesen. Nahezu die gesamte Route führt über den Gletscher. Links und rechts des Weges gibt es gigantische Spalten, zehn oder mehr Meter breit. Wir überquerten auch einige gut zwanzig Meter tiefe Spalten, über schmale Eisbrücken oder mit Zwei-Meter-Sprüngen. Das Wetter war super, die Sonne schien und wir konnten die tiefer hängenden Wolken von oben begutachten.

Zunächst war der Abstieg wenig anstrengend und wir konnten die Aussicht tatsächlich genießen. Nach und nach setzte uns jedoch der Schlafmangel, die Höhe und der lange Aufstieg zu. Aufgrund des Sonnenscheins wurde der frische Schnee schließlich so nass, dass er ständig unsere Steigeisen verklebte und wir diese schließlich abnahmen. Ich war so müde und erschöpft, dass ich ständig wegrutschte und langsamer und langsamer wurde. Wir legten nahezu so oft Pausen ein wie während des Aufstieges. Wie Willy treffend sagte: "finito amigos".

Um 10:30 Uhr erreichten wir endlich el Campo Alto. Absolut erschöpft und ausgelaugt legten wir uns zunächst ins Bett, wurden aber durch Willy vom Schlafen abgehalten. Nachdem wir uns einigermaßen ausgeruht hatten, war ich zwar immer noch unglaublich müde, aber nichtmehr so komplett ausgelaugt wie zuvor. Um 12 Uhr brachen wir mit vollgepackten Rucksäcken in Richtung Base Camp auf. Der erste Teil des Abstiegs war wohl der gefährlichste Teil des gesamten Berges. Unglaublich müde, mit Konzentrationsschwierigkeiten, ging es über mit Schnee bedecktes Geröll abwärts. Ich hatte nur meine Stoffschuhe an, dazu einen enorm schweren Rucksack. Auf halben Weg fing es außerdem an stark zu hageln. Glücklicherweise konnte ich mich trotzdem zusammenreisen und bin nur ein einziges mal auf Moos ausgerutscht.

Im Base-Camp wurde die Ausrüstung eingesammelt und es ging in zwei Taxen zurück Richtung La Paz. Unser Taxi hatte zwischendrinn einen Platten, mit dem vorhandenen Ersatzrad wurde der beeindruckend in unter fünf Minuten repariert. In La Paz regnete es stark, glücklicherweise konnte ich mit Paul und Maribell ein Taxi zum Hostel nehmen, da die beiden im Hotel gegenüber wohnen. Im Hostel habe ich nur kurz eingecheckt, gegessen und habe mich ins Bett begeben. Ich habe von sechs Uhr abends bis 10 Uhr morgens geschlafen...

Insgesamt war es eine einzigartige Erfahrung. Technisch war die Besteigung reichlich anspruchslos. Aufgrund der Höhe und des schlechten Wetters war es trotzdem das Anstrengendste was ich je gemacht habe. Ich dachte, dass ich mit zweieinhalb Wochen auf 3800m recht gut akklimatisiert war, scheinbar war das aber nicht der Fall. Ich müsste lange mit mir hadern, ehe ich sowas nochmal mache. Trotzdem bin ich sehr zufrieden es gemacht zu haben und wer weiß, vllt mache ich ja doch irgendwann etwas ähnliches (Everest anyone?).

4 Kommentare:

  1. Mann mann mann, ich sollt aufhören das hier zu verfolgen. Du turnst da mega auf den 6000 dieser Erde rum und bei mir gehts nun langsam in die Klausurenphase :S

    Ich muss sagen, ich hätte gedacht man müsse mehr "klettern" um auf son Berg rauf zu kommen und ich hätt gedacht man macht oben erstmal nen picknick oder so :D Naja immerhin hast du auch Schnee ;)

    Gruß aus Hanno

    AntwortenLöschen
  2. Everest! *meld* Dann mit den Boards runter?

    AntwortenLöschen
  3. Moinsen,
    symbolisch hier ein Weihnachtsgeschenk. Ist nichts Großes, aber ich hoffe du freust dich.

    (Kann man aufgrund der Größe leider nicht sehen, aber fröhliche Weihnachten, mein Bester!)

    Bis denn denn...

    AntwortenLöschen
  4. Uh, das ist grossartig! Vielen Vielen Dank!!!!

    :D

    AntwortenLöschen